Am Sonntag, 29.3.1992, war es wieder mal so weit.
Der tänzerische Höhepunkt der karnevalistischen Session fand in der Grugahalle in Essen statt. Der Veranstalter der Deutschen Meisterschaft in karnevalistischen Tänzen, ist wie in jedem Jahr der Bund Deutscher Karneval (BDK).
Der Ausrichter war die „Erste große Mühlheimer Karnevalsgesellschaft e.V.". Nachdem die Oberbürgermeisterin der Stadt Essen, Frau A. Jäger, die Begrüßung für die vielen tausend anwesenden Gäste ausgesprochen hatte, konnte das Mammutturnier beginnen, Erstmals hatte sich der BDK dazu entschlossen, die Junioren-Jugend- und Seniorenmeisterschaft an einem Tag, auf einer Veranstaltung durchzuführen.
Den Auftakt bildeten die Junioren, also die 12 bis 15jährigen Mädchen und Jungen. Leider hatte unsere aufstrebende und ehrgeizige Mittlere Garde die Qualifikation in Saarlouis nicht geschafft. Man war zwar mit dem Titel eines Vizepfalzmeisters angereist, jedoch war für die Mädchen von Trainerin. Manuela Ziehl, die Qualifikationshürde zu hoch, das Selektionsverfahren zu hart. Zum Glück fand die Betreuerin Edith Schäfer die passenden Worte des Trostes. Gerade zu tragisch wirkte sich die Härte der Qualifikation auf unser Tanzmariechen Sandra Gundal aus. Sandra, die in dieser Saison erstmals in der Gruppe der 12-15 jährigen startet, verfehlte die Quali um gerade einen Punkt. Schade, daß die Deutsche Vizemeisterin aus den Jahren 1990 und 1991 den neuen Turnierbestimmungen zum Opfer fiel. Als Hintergrundinformation muß man wissen, daß durch die Zusammenlegung von allen Altersgruppen bei der DM, jeweils nur 7 Startplätze die Qualifikation schaffen können.
In Essen war nach Beendigung der Junioren-Meisterschaft, erst mal Mittagspause.
Hierbei merkte die 100 köpfige Fangruppe aus Rülzheim erstmals wie wertvoll heimische Küche sein kann.
Deutsche Meisterin Simone Ortega
Bei den anschließenden Jugendmeisterschaften hatte die Karnevalsgesellschaft aus Rülzheim ein Eisen im Feuer. Mit der Empfehlung einer Deutschen Meisterin hatte Simone die Startnummer 4. Unmittelbar vor und nach Simone waren ihre härtesten Konkurrentinnen um den Titel am Start. Diese Konstellation erlaubte der Jury den genauen Vergleich. Simone hatte im Vorfeld alle Turniere souverän gewonnen und war auch heute wieder prächtig in Form. So verwunderte es nicht, daß sie ihr ganzes tänzerisches Können in ihren Auftritt legte, Zwar durfte man von einer amtierenden Deutschen Meisterin, die ja auch den Europameistertitel hat, besonderes erwarten, jedoch waren die fachkundigen Zuschauer einmal mehr begeistert von dieser Kombination aus spanischem Temperament und deutscher Präzision.
Zu jeder Bewegung konnte man erkennen, daß dieses Kind Spaß hat am Tanz und aus Spaß beim Tanz bleibt. Dieser Unbefangenheit entspringt ihre Ausstrahlung. Kein gekünsteltes oder verkrampftes Lächeln, nein, Simone begeistert einfach mit ihrer unvergleichlich natürlichen Art. Die schwierigsten Passagen des Tanzes konnte ihr nur ein Lächeln entlocken. Beidseitiger Standspagat, Räderfolgen, getanzte kindliche Lebensfreude. Nicht anzusehen sind ihr die vielen Trainingseinheiten. Von Simone geht nur positive Einstellung und Freude am Leistungssport aus, daß Sport und Hobby eins sind, dafür garantiert die Trainerin Nicole Wolff, die über den Spaß an der Freude ihren Schützling führt. Und nur mit dieser Einstellung können solche Ausnahmetalente reifen. Einfühlungsvermögen ist die große Fähigkeit von Nicole und damit fördert sie die Leistung von Simone. Mit einem Abstand von 11 Punkten gewann Simone zum 2. Mal ihren Titel mit 459 Punkten, Elf Punkte sind in diesem Sport eine halbe Welt, denn wer Deutschlands bestes Tanzmariechen so distanziert, ist eine Größe für sich. Wen wunderts, daß die Zuschauer, ob dieser Darbietung Kopf standen und Simone entsprechend frenetisch feierten. Glückwünsche konnte natürlich auch ihre junge Trainerin entgegennehmen, die Freudentränen über den abermaligen Erfolg ihres Schützlings nicht verbergen konnte.Glückwünsche auch an die Eltern und die Oma, die viel Zeit und Anstrengungen in den Sport ihres Lieblings investieren, aber auch viel Freude ernten,
Herzlichen Glückwunsch!
Senioren-Meisterschaft der Garden
Das Herzstück einer jeden Meisterschaft ist der Gardetanz der Senioren (d.h. Mädchen ab 16 Jahren) Im Vorjahr war den jungen Damen um Trainerin Karin Franck-Löhle das Kunststück gelungen, den Favoritenkreis zu durchbrechen und man wurde überraschend Deutscher Meister.Die Begeisterung in Mannheim hatte keine Grenzen. Diesmal war die Ausgangsposition eine andere. Jetzt konnte man nicht mehr jagen, nein die Garde wurde selbst gejagt. Dieses Phänomen war schon deutlich bei den vorhergehenden Turnieren in Reilingen, Ludwigshafen und Bellheim zu merken. Hier wurde man zwar souverän erster, dennoch spürte man, daß die anderen Teams sich immer an den Rülzheimerinnen orientierten. Es war ganz klar, daß die mehrmaligen Deutschen Meister aus dem sauerländischen Attendorn und dem hessischen Frickhofen in diesem Jahr ihre Chance suchen würden. Das neue Reglement hatte Städte wie Stuttgart, Berlin, Lübeck, Kaiserslautern, Schweinfurt u.a. aus dem Rennen geworfen.
Die Creme de la Creme war in Essen unter sich.
Sieben Top-Teams bis auf das letzte motiviert, und auch topfit. Wochenlang hatte man in Rülzheim die Trainingseinheiten erhöht. Man war sogar in ein Trainingslager gegangen, so unter sportpädagogischer Anleitung absolute Fitness erreicht wurde.
In diesem Zusammenhang möchte sich die KGR bei ihren Sponsoren bedanken, die helfen, die immensen Kosten zu decken. Besonderer Dank gilt der Fa. HA-RA Zasada, Rülzheim.
Mit dem LCV Narrhalla Landau mußte der zweite pfälzische Verein zuerst auf die Bühne. Das Resultat 442 Punkte das konnte man schaffen. Die Nummer zwei war der Vizemeister aus dem Vorjahr KG Attendorn, die die Rülzheimerinnen bei der Europameisterschaft schlugen. Stolze 456 Punkte legten die "Regimentstöchter" vor. Das war die Meßlatte, die es zu übersteigen galt. Die Hände der Damen aus Rülzheim wurden vor Aufregung feucht, konnte man diese hohe Punktzahl schaffen?
Die alten Routinierten strahlten Zuversicht aus. Edith Dreyer, Manuela Seither, Susanne Pfeifer, Heike Kuhn und Marion Weber über 100 Jahre Gardetanzsport, zusammen haben diese fünf gestählt und auch in die Lage versetzt, die Jüngeren psychologisch zu betreuen.
Als 3. Mannschaft startete Nürnberg 447 Punkte das war kein echter Konkurrent, ebenso wenig die KG aus Bocholt, die 440 Punkte hinlegte. Dann aber kam der große Moment, der Auftritt der Stechergarde. Natürlich waren die Zuschauer in der Halle in diesem Moment voll auf die Bühne konzentriert: da war der amtierende Deutsche Meister, da konnte man besonderes erwarten.
Manuela Seither, geb. Weber, führte in gewohnter Manier die 20köpfige Truppe an. Diese junge Dame weiß genau, der Aufmarsch allein bringt 5 Punkte, die sie fast allein erobert, da sie den Rhythmus der Bewegungen angibt. Die ungewöhnliche, aber interessante rautenförmige Grundstellung finden die Mädchen auch mit verbundenen Augen. Danach gilt die Bewertung der Kostüme mit 10 Punkten als die Bewertung der Betreuerinnen. Stimmte alles?
Na klar! Danach beginnt der Wirbelsturm. Jetzt kommt das, was die Schützlinge des Ehepaares Löhle so auszeichnet: schnelle Schrittvielfalt und extrem hoher Schwierigkeitsgrad. Keine Schwierigkeitsfigur wird ausgelassen! Die Darstellung der Tanzdisziplin gelingt hervorragend. Die Aus Strahlung ist nicht nur perfekt, nein megastark! Was den Tanz besonders auszeichnet ist die einfallsreiche Choreographie. Ein ständiges Rochieren nicht nur Stupides vor und zurück. Die Positionen werden sofort getauscht, es entsteht unheimlich viel Leben auf der Bühne, Die Exaktheit ist der Bestandteil der in vielen hundert Stunden antrainiert wurde. Nach dem Tanz verharren die Mädchen wie gebannt auf der Bühne. Wie würde die Jury werten? Angespannt waren die Middle aged girls der Truppe: die Zwillinge Andrea und Petra Menesklou, Gabriele Lass, Manuela Ziehl, Romy Minet, Ines Westermeier, Judith Starek und Bianka Nuber.
Sollte Sie nochmals gelingen, Deutscher Meister zu werden?
456 Punkte! Ihre Köpfe glühten! Denn Just diese Punktzahl hatte Attendorn sollte es ein Patt geben? Nein in diesem Fall sieht das Reglement vor, daß die höchste und niedrigste Wertung der 7 Juroren, die normal gestrichen werden, mitgezählt werden.
Und da war Rülzheim um ganze zwei Pünktchen besser.
Noch waren 2 Teams dran. Die wenige starken Fürstenhagener schafften schlaffe 438 Punkte aber was bringt der Rekordmeister aus Frickhofen. Gebannt starrten alle auf die Bühne. Den Youngstern der Stechergarde gelang kein kontrolliertes Atmen mehr. Jeder gekonnte sauber ausgeführte Beinschlag spürte man wie einen Tritt in den Hintern. Trotz aller Konkurrenz und allen Ehrgeizes müßte man den Damen aus Frickhofen, zumindest im Geist attestieren, daß die super sind. Die ganz jungen der Truppe wie Sabine Mendel, Ines Völkel, Heike Wetzka, Sabine Bauer, Nicole Milz, Daniela Lösch und Silvia Wünschel hatten einen Pulsschlag, der unter ärztlicher Kontrolle sicher eine Einweisung ins Krankenhaus zur Folge gehabt hätte.
Soviel hatte man gehört von Attendorn, und Frickhofen und wie eng wird nun die Entscheidung? Überall wird gerechnet…. Sollte es stimmen? 455 Punkte für Frickhofen, erst das offizielle Ergebnis abwarten. Langsam noch nicht jubeln, schon manchmal wurde noch ein Punkt im Nachhinein gegeben... nein! Jetzt war es raus! Jetzt war es klar mit hauchdünnem Vorsprung und brutaler Knappheit, mit einem Nannometer Vorsprung, nach unmenschlicher Spannung - aber verdient.