Die Rülzheimer Karnevalsgesellschaft hat es endlich geschafft: Sie übernahm die Herrschaft
Schon seit langem Zelt bahnte sich in Rülzheim ein Machtwechsel an — am vergangenen Wochenende wurde er nun endlich vollzogen. Damit wurde vielen, von Steuern hart bedrückten Bürgern, Erleichterung verschafft Als Ort eines solch weltbewegenden Ereignisses hatte man die Rülzheimer Turnhalle gewählt. Bereits eineinhalb Stunden vor Beginn der Zeremonien drängten sie sich vor der Eingangstür und begehrten Einlaß. Tausende mußten abgewiesen werden: für sie war in der Mammut-Halle kein Platz mehr. Was blieb ihnen anderes übrig, als weinenden Herzens wieder nach Hause zu gehen und sich von den Festlichkeiten im nächsten Morgen berichten zu lasten. Eigens für die Machtübernahme war in der Halle von der Karnevalsgesellschaft Rülzheim, jener revolutionären Instanz, die den Umsturz geplant hatte, eine neue Beleuchtung installiert worden. Über die Zeremonien selbst schreibt uns ein begeisterter Berichterstatter.
Alles erwartete in gebührender Hochstimmung das Erscheinen des Prinzenpaares. Pünktlich um 20.11 Uhr begann die Hofkapelle, genannt die „Zollspatzen", zum Tanz aufzuspielen. Nach den ersten Tänzen begrüßte der Vorstand der revolutionären KGR, Oskar Büchele, die anwesenden Untertanen. Danach kam der erste große Augenblick: mit Fanfarenschall wurde das abdankende Prinzenpaar Liesel die Erste und Alois der Erste empfangen.
Unbeschreiblich war jedoch der Jubel, als das „neue" Prinzenpaar Einzug hielt. Margitta die Erste aus dem Geschlecht derer von Tippetanien und Heinrich der Erste aus dem Hause von und zu Nimm (bürgerlich als Einnehmerei-Amtmann Heinrich Neu bekannt) sind die Regenten der diesjährigen Kampagne.
Mit launischen Worten übergab Bürgermeister Helmut Braun den Stadtschlüssel an das Regentenpaar. Er meinte: „Heinrich der Neue sei besser als Helmut der Alte." Es sei eine neue Zeit angebrochen. Was 1969 mit der Verteilung von Hundertmarkscheinen begonnen, von Prinz Alois aus Porzellanzement weitergeführt, werde diese Kampagne von Prinz Heinrich erneuert.
In seiner Begrüßungsrede gab Heinrich der Erste bekannt, daß die Einnehmerei bis zum Aschermittwoch keine „roten Zettel" mehr herausgeben werde.
Nach der Schlüsselübergabe wurde die Proklamation des neuen Prinzen Verlesen. Unter anderem gab es bekannt, daß die Eingemeindung von Hördt, Kuhardt und Leimersheim in den nächsten Tagen vollzogen werde, damit deren Bürger noch in den Genuß der kommenden großen Festem in seinem Reich kommen werden. Dem Bürgermeister von Rülzheim wird bis Aschermittwoch die Besoldung gestrichen. Er kann beim Braunschen Stift den Antrag auf Fürsorge stellen.
Als letzten Punkt gab er bekannt, daß bis Aschermittwoch sämtliche Steuern abgeschafft und die Einnehmerei geschlossen sei. Ihre Lieblichkeit Margitta die Erste hatte an die Damenwelt die Bitte, den Männern in den kommenden Tagen und Wochen etwas mehr Freiheit zu geben.
Nach der Proklamation brachte die Prinzengarde zu Ehren des neuen Prinzenpaares ihren Tanz dar, mit welchem sie in Ludwigshafen, bei dem großen Gardeturnier den zweiten Platz errangen. Bereits während der Vorführung applaudierten die Ballbesucher, so stark beeindruckt waren sie von den Darbietungen. Abschließend besuchte die Prinzengarde das Germersheimer Prinzenpaar, welches als bürgerliches Tanzlehrerehepaar den Tanz einstudiert hatte.